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Der Staat ist nicht der bessere Bauherr

Der Kölner Immobilienunternehmer Patrick Adenauer spricht über die Rolle von Privatinvestoren, den Mietendeckel und seine Investments in den USA.
Interview von Peter Brors und Anne Wiktorin

Herr Adenauer, was ist derzeit Ihr spannendstes Immobilienprojekt?
Wir sind inzwischen in Berlin, Hamburg, der Rhein-Ruhr-, der Rhein-Main-Region und in München aktiv. Und genau dort ist es derzeit am spannendsten für uns: Mitte 2019 haben wir 50 Prozent am Münchener Immobilienunternehmen Büschl erworben und haben gemeinsam eine Reihe sehr interessanter Projekte in Arbeit, allen voran die Quartiersentwicklung auf dem Gelände der ehemaligen Paketposthalle zwischen Arnulf- und Wilhelm-Hale-Straße westlich der Innenstadt.

Dort soll ein neues Stadtteilzentrum entstehen, mit Wohnungen, Geschäften, Büros, Hotels und Kultureinrichtungen. Das Besondere ist, dass zum Konzept des Schweizer Architekturbüros Herzog & de Meuron auch zwei mehr als 100 Meter hohe Türme gehören.

Das dürfte für Diskussionen in München sorgen. Projekte dieser Art und Größe sind ja allerorten höchst umstritten.
Die Entwürfe sind nicht zuletzt wegen ihrer architektonischen Qualität sehr gut aufgenommen worden. Wir sind überzeugt, dass Hochhäuser an dieser Stelle, außerhalb des Mittleren Rings, die Skyline der Stadt bereichern können.

Gibt es schon einen Zeitplan für das Projekt?
Zunächst einmal müssen die baurechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Wir rechnen nicht damit, dass dies vor 2023/24 der Fall sein wird. Erst dann können wir bauen. Bis zur Fertigstellung wird es also noch eine Weile dauern.

München gilt als sehr teuer. Haben Sie nicht die Sorge, dass der Immobilienmarkt dort inzwischen ausgereizt ist?
München wird sich gut weiterentwickeln, davon sind wir überzeugt. Politik und Wirtschaft wollen mehr Arbeitsplätze schaffen, die Zuwanderung wird anhalten, und das wird auch dem Immobilienmarkt nützen. Zudem sind Preise und Mieten im internationalen Vergleich immer noch moderat. Und was für unser Engagement ganz wichtig ist: Mit Büschl haben wir einen sehr erfahrenen und am Markt etablierten Partner gefunden, den wir schon lange kennen und mit dem wir bereits einige Projekte erfolgreich umgesetzt haben.

Sind solche Partnerschaften Teil Ihrer Unternehmensstrategie?
Ja, absolut. Als Familienunternehmen denken wir zuerst an den Fortbestand dessen, was wir geschaffen haben. Deshalb teilen wir Risiken gern partnerschaftlich. Wir haben uns in den vergangenen Jahrzehnten vom Bauunternehmen zum Projektentwickler und schließlich zu einem Unternehmen entwickelt, das auch selbst in Immobilienbestände investiert.

Dabei sind wir regelmäßig Joint Ventures eingegangen. In Düsseldorf-Heerdt etwa realisieren wir aktuell mit der Wohnkompanie NRW einen neuen Stadtteil mit mehr als 1 000 Miet- und Eigentumswohnungen. Mit dem 50-Prozent-Anteil an Büschl haben wir uns aber jetzt erstmals an einem Partner direkt beteiligt. Wichtig aber ist, dass wir nach wie vor entwickeln, planen, bauen und eben nun auch langfristig investieren.

In Berlin-Spandau bauen Sie eine alte Geschützgießerei zu einem Bürostandort um. Der gerade beschlossene Mietendeckel für Wohnungen tangiert Bauwens bei diesem Projekt zumindest nicht direkt. Trotzdem müssen auch Sie mit der Diskussion umgehen.
Richtig, und wir haben ja auch in Berlin schon Wohnprojekte realisiert. Warten wir aber erst einmal ab, wie sich die Dinge weiterentwickeln. Ich halte die Stadt nach wie vor für einen interessanten Standort. Generell aber muss man sagen: Der Staat bekommt es nicht hin. Er ist ganz sicher nicht der bessere Bauherr und erst recht nicht der bessere Bauunternehmer.

In Berlin ist ja mit dem Flughafen das Paradebeispiel für öffentliche Bauten zu besichtigen, die nicht fertig werden. Um das Wohnungsangebot zu vergrößern, braucht man die Privatwirtschaft. Preise zu deckeln nützt deshalb nichts – es würde nur dazu führen, dass nicht mehr investiert wird.

Aber gibt es nicht gerade beim Wohnen eine soziale Verpflichtung des Staates?
Mein Großvater, Konrad Adenauer, hat den öffentlichen Wohnungsbau gewissermaßen miterfunden. Er war vor mehr als 100 Jahren Ideengeber und Initiator der städtischen Kölner Wohnungsgesellschaft GAG. Also ja: Wohnen ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema, und sicherlich ist es sinnvoll, wenn Teile des Wohnungsmarktes von der öffentlichen Hand betrieben oder unterstützt werden. Statt alleine Objekte zu fördern – also den Bau von Gebäuden –, hielte ich es aber für sinnvoller, das Subjekt – also den Mieter – finanziell zu unterstützen, etwa in Form von Mietzuschüssen.

Wie auch immer eine Förderung aussieht, wäre sie nicht effizienter, wenn schneller und günstiger gebaut würde?
Allein für einen Bebauungsplan brauchen sie heute locker drei bis fünf Jahre. Natürlich wäre es besser, wenn es schneller ginge. Man könnte etwa die Prozesse in den Genehmigungsbehörden durch mehr Digitalisierung sicher beschleunigen – zum Beispiel durch paralleles Arbeiten in einem Datenraum. Auch viele Mitarbeiter in den Bauämtern würden sich das wünschen.

Was das günstigere Bauen betrifft, so bin ich skeptisch, ob das vielfach propagierte Modell des elementierten Bauens an jeder Stelle wirklich sinnvoll ist. Denn erstens sollen unsere Wohnungen eine gewisse Qualität haben – niemand möchte gern in Containerbauten leben.

Und auch die Ersparnis relativiert sich bei genauerem Hinsehen. 200 Euro pro Quadratmeter bei den reinen Baukosten günstiger zu werden – was schon viel ist – senkt die Miete am Ende vielleicht um einen Euro. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Auch wir kämpfen beim Bauen um jeden Euro und setzen die Verfahren der Lean Construction bei allen Projekten ein.

Orientieren Sie sich angesichts der zugespitzten Diskussion über Wohnungsmangel, hohe Mieten und Preise jetzt mehr in Richtung Büro- oder anderer gewerblicher Bauten?
Nein, wir finden den Wohnungsbau wichtig. 60 Prozent unseres Portfolios entfällt auf dieses Segment. Wir können die Knappheit am Markt nur verringern und so steigenden Preisen und Mieten entgegenwirken, indem wir mehr bauen.

Die hohen Immobilienpreise sind auch eine Folge der Politik des billigen Geldes. Dafür haben Sie mehrfach auch öffentlich die Europäische Zentralbank scharf kritisiert und gemeinsam mit den Unternehmern Heinrich Weiss und Jürgen Heraeus gegen die Staatsanleihekäufe der Zentralbank geklagt. Was ist daraus geworden?
Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Europäischen Gerichtshof um eine Stellungnahme gebeten hatte und die Europarichter dem Programm ihren Segen erteilt haben, ist jetzt Karlsruhe wieder am Zug. Die Urteilsverkündung findet am 24. März 2020 in Karlsruhe statt, ich bin gespannt.

Was genau stört Sie so an der EZB-Geldpolitik? Die extrem niedrigen Zinsen nützen Ihrem Geschäft doch in allen Finanzierungsfragen?
Wir kritisieren vor allem die unsozialen Aspekte dieser Politik. Minuszinsen machen Vermögenswerte wie Aktien, vor allem aber auch Immobilien teurer. Gleichzeitig entwerten sie Geldvermögen und Rentenansprüche. Das setzt unseres Erachtens einen ganz falschen politischen Rahmen. Ich hoffe, dass sich bewahrheitet, was von der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde bisher zu hören war, und sie nicht einfach weitermacht wie bisher. Denn mikroökonomisch mag der ein oder andere – auch unser Unternehmen – von der Minuszinspolitik profitieren. Aber es gibt gefährliche Nebenwirkungen, die vielleicht erst die nachfolgenden Generationen zu spüren bekommen.

Auch der Bau von Häusern ist ein Geschäft mit sehr langfristigen Auswirkungen. Wie plant man Gebäude für morgen?
Ich habe es eben kurz angedeutet: Wir wollen vor allem qualitätvoll bauen – und das heißt für uns auch, Gebäude zukunftsfähig zu machen. Nehmen wir ein Beispiel aus Berlin: In unserem Projekt „Gleis Park“ in Kreuzberg – ein komplett umgebautes, ehemaliges Parkhaus – haben wir einen Großteil der knapp 120 Bestandswohnungen mit Smart-Home-Technik ausgestattet.

Mithilfe der eigens programmierten Scalara-App haben die Bewohner nicht nur jederzeit den Überblick etwa über ihren Energieverbrauch, sie können Licht ein- und ausschalten, Jalousien bedienen oder einem Paketboten oder der Haushaltshilfe auch für einen genau definierten Zeitraum Zugang zum Gebäude oder zur Wohnung einräumen. Realisiert haben wir das übrigens wieder mit einem Partner: Sensorberg, ein Start-up im Bereich der Gebäudesensorik, an dem wir wie bei Scalara über unsere Tochtergesellschaft Bauwens Digital auch beteiligt sind.

Zahlen Kunden für diese smarte Haustechnik auch höhere Mieten?
Das wissen wir ehrlicherweise noch nicht. Unsere Branche ist ja eher innovationsscheu, deshalb gibt es wenig Erfahrungswerte. Unser Ziel ist es vor allem, den Kundennutzen zu steigern – wir werden sehen, wie sich das finanziell auszahlt. Für uns ist das Thema Digitalisierung strategisch von größter Bedeutung. Wir haben bereits einige Beteiligungen an Technologie-Start-ups aus der Immobilienbranche, den sogenannten Proptechs, getätigt. Es gibt sogar die Überlegung, eine Investorenplattform in Form eines europäischen Proptech-Fonds zu entwickeln. Sie sehen, wir halten den Innovationsgeist im Unternehmen wach.

Als Unternehmer investieren Sie vorwiegend in Deutschland. Privat investieren Sie Ihr Vermögen aber vor allem in den USA? Warum?
Zum einen gibt es eine gewisse Verbindung zu den Vereinigten Staaten, ich habe dort gelebt und gearbeitet. Zum Zweiten bietet das US-Investment eine Möglichkeit, in einen anderen Währungsraum zu diversifizieren. Die meisten Familienunternehmen im produzierenden Bereich tun dies ganz automatisch, indem sie ihre Produkte auch außerhalb der Euro-Zone produzieren und verkaufen.

Bei einem Immobilienunternehmen ist das aus naheliegenden Gründen völlig anders. Deshalb die Idee, in den USA das zu tun, was wir in Deutschland gelernt haben: in Immobilien zu investieren. Mit Gisbert Beckers, Immobilienunternehmer wie ich, und Wirtschaftsprüfer Burchard von Armin haben wir 2015 German American Realty (GAR) gegründet.

Macht GAR in den USA ähnliche Geschäfte wie Bauwens in Deutschland?
Nicht wirklich: Wir kaufen zehn bis 20 Jahre alte Mietwohnanlagen, sogenannte Multi-Family-Homes, im unteren bis mittleren Marktsegment. Anschließend renovieren wir sie nach und nach und steigern so die Mieteinnahmen und damit den Immobilienwert. In einzelnen Fällen sind wir als Projektentwickler tätig und bauen neu.

Und wir konzentrieren uns auf die Metropolregionen im Süden der USA: Dallas, Atlanta, Tampa, Austin, zudem Washington D.C. Dies sind wachstumsstarke Standorte, die Jobmärkte laufen gut, die Wohnungsnachfrage ist hoch. Was wir aber genauso machen wie in Deutschland: Wir betreiben das Geschäft mit unseren US-Partnern. Sie identifizieren die Objekte und kümmern sich um das Tagesgeschäft und den Betrieb der Wohnanlagen.

Was haben die US-Firmen von einer Partnerschaft mit einem deutschen Investor?
US-Immobilienunternehmen müssen zur Finanzierung viel Eigenkapital mitbringen – 40, manchmal 50 Prozent des Kaufpreises. Deshalb sind ihnen langfristig denkende Investoren willkommen, die Eigenkapital mitbringen. Auch liegen die US-Zinsen auf einem ganz anderen Niveau als in Deutschland. Entsprechend höher sind die Kapitalkosten für die US-Partner. Außerdem schätzen sie deutsche Investoren als verlässliche Partner sehr.

Wie viel Geld hat GAR insgesamt in den USA investiert?
Inzwischen sind es gut 820 Millionen Dollar in 21 Objekten mit über 6000 Wohnungen. 30 Prozent sind Eigenkapital, wovon etwa zehn Prozent aus dem Gesellschafterkreis der GAR und unseren US-Partnern stammen, der Rest kommt von anderen Family Offices oder befreundeten Firmen.

Amerika ist aber doch ein Eigentümermarkt: Gerade einmal 36 Prozent der US-Haushalte mieten aktuell eine Wohnung. Warum also ausgerechnet dieses Segment?
Der Mietmarkt hat sich in den vergangenen Jahren recht dynamisch entwickelt. Das hat etwas damit zu tun, dass nicht mehr nur diejenigen Amerikaner eine Wohnung mieten, die es sich nicht leisten können zu kaufen. Der Lebensstil vor allem der Millennial-Generation ändert sich: Man heiratet später, wechselt öfter den Job, ist weniger standortgebunden. Wegen der hohen Schulden für die Ausbildung können viele zudem erst nach Jahren im Job überhaupt Eigentum erwerben. Das und auch die grundsätzlich wachsende Bevölkerung lassen die Nachfrage nach Mietwohnungen steigen.

Allerdings hatte die Finanzkrise vor zehn Jahren doch ihren Ursprung am US-Immobilienmarkt. Was ist heute anders als damals?
Ursächlich für die Immobilienkrise in den USA war, dass in einen boomenden Immobilienmarkt mit steigenden Preisen ungezügelt Kredite an Schuldner mit nicht ausreichender Bonität vergeben wurden. Diese Darlehen wurden dann auch noch zu Wertpapieren verbrieft und an Anleger verkauft. Als die Immobilienpreise fielen und viele ihren Kredit nicht mehr bedienen konnten, fiel das Ganze wie ein Kartenhaus zusammen. Das ist inzwischen abgearbeitet, Banken haben ihre Lehren gezogen. Kredit ohne oder mit sehr wenig Eigenkapital gibt es nicht mehr.

Auch in den USA dürfte der Name Adenauer bekannt sein. Warum nutzen Sie seinen Klang nicht offensiver in der Firmenkennung?
Der Name mag die ein oder andere Tür öffnen. Aber vor allem ist er mit einer gesellschaftspolitischen Verantwortung verbunden. Ihn zu vermarkten empfinden wir als unangemessen. Wir benennen also weder unsere Firma um, noch wird es einen Adenauer-Fonds geben. Es geht schließlich auch ohne wunderbar.

Herr Adenauer, vielen Dank für das Interview.

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