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Traditionelle Wirtschaft steht vor Comeback

Vor allem die Tech-Titel treiben in den USA die Aktienindizes von Rekord zu Rekord. Das könnte noch eine Zeit lang so weitergehen, meint Fidecum-Fondsmanager Hans-Peter Schupp. Auf längere Sicht rechnet er jedoch mit einem Comeback der sogenannten Old Economy.
Hans-Peter Schupp // Gastautor // 01.02.2021 //  PDF //  Lesedauer: 4 Minuten

Im vergangenen Jahr sind unter allen Fonds-Kategorien „Aktien Technologie Welt“ am besten gelaufen, so eine Auswertung von Scope Analysis. Demnach legten sie allein 2020 um sage und schreibe 38,7 Prozent zu. Auf Sicht von fünf Jahren erzielten weltweit investierende Tech-Aktien-Fonds ein Plus von mehr als 20 Prozent per annum. Die Fonds, die schwerpunktmäßig auf traditionelle Branchen setzen, schnitten spürbar schlechter ab.

Schon seit dem Beginn der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2007 laufen Value-Werte den Groth-Titeln hinterher. Eine zwischenzeitliche Underperformance von Substanzen-Werten ist für sich genommen nichts Ungewöhnliches. Allerdings ist mittlerweile der Zeitraum außerordentlich lang.

Déjà-vu 2000

Bereits Ende der 90er- und Anfang der 00er-Jahre gab es an den Aktienmärkten einen Technologie-Hype. Tatsächlich haben seitdem die Digitalisierung und das Internet einen weltweiten Siegeszug angetreten und das Leben der Menschen sowie der Wirtschaft spürbar verändert. Doch das Gros der damals bei Aktionären beliebten, zum Teil vergötterten Aktiengesellschaften existiert heute nicht mehr.

Derzeit gibt es allerdings einen bedeutenden Unterschied zur TMT-Blase von vor gut 20 Jahren. Heute schreiben viele der Tech-Stars schwarze Zahlen. Zum Teil erwirtschaften sie sogar unglaubliche Gewinne. Hier sind jedoch ein paar Relativierungen angebracht.

Vermögensverwalter über Aktien abseits von Tech Diese Branchen sollten Anleger im Blick haben

Beispiel Amazon: Der global größte Online-Händler ist einzigartig positioniert. Aber die schiere Größe dürfte den Konzern zunehmend unbeweglicher machen. Zudem sind Monopole erfahrungsgemäß endlich. Generell dürfte der regulatorische Druck auf Internet-Giganten zunehmen. Und der Erfolg zieht neue Konkurrenten an. Es könnte sich daher als Fehler erweisen, die bisherigen Gewinnsteigerungen von Amazon einfach fortzuschreiben. Die Börse handelt jedoch die Zukunft.

Ein noch extremeres Beispiel ist Tesla. Die Aktien des E-Auto-Pioniers haben sich im vergangenen Jahr vervielfacht. Selbst die Konkurrenz gesteht den Amerikanern zu, dass sie bei den Batterien, bei der Vernetzung und dem autonomen Fahren klar einen Vorsprung für sich reklamieren können. Allerdings macht Tesla nur auf den ersten Blick Gewinn. Tatsächlich stammen die Profite bislang ausschließlich aus dem Verkauf von CO2-Emissionsrechten an Fiat-Chrysler und Co. Operativ schreiben die Kalifornier mit dem Bau und dem Verkauf ihrer E-Autos nach wie vor rote Zahlen.

Die Kunst, ein Auto zu bauen, besteht eben weniger im Antrieb, sondern vielmehr in der Fähigkeit, just in time aus einer enormen Zahl von Teilen ein vollständiges Fahrzeug herzustellen. Und da kann bislang von den Newcomern den traditionellen Herstellern niemand das Wasser reichen.

Bewertungen, nicht Gewinne zählen

Die bisherige Underperformance von Value-Aktien hängt nicht mit der mangelnden Profitabilität zusammen. Den Gewinnen von Tech-Titeln messen Anleger jedoch ganz andere, sprich höhere Bewertungen zu. Doch dabei dürfte es sich um ein zeitlich befristetes Phänomen handeln. Denn die Welt hat sich in vielen Details, aber nicht grundlegend geändert.

Beispielsweise werden die Banken – trotz der zunehmenden Konkurrenz durch Fintechs – nach wie vor gebraucht. Doch seit der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise haben die Anleger – vor allem mit europäischen Kreditinstituten – nur eins gemacht: viel Geld verloren. Zwar werden die Banken die Profitabilität früherer Jahre wohl nie mehr erreichen. Doch bei einem durchschnittlichen Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,3 Prozent besteht aus Anlegersicht erhebliches Erholungspotenzial.

Ein anderer Bereich, der wahrscheinlich vorschnell abgeschrieben wurde, ist die Ölbranche. Natürlich gehört fossilen Rohstoffen auf sehr lange Sicht nicht die Zukunft. Aber die Menschen – insbesondere nicht die in den stark wachsenden Schwellenländern – werden nicht von heute auf morgen gar kein Öl mehr brauchen. Vielmehr ist der weltweite Verbrauch bis zum Ausbruch der Corona-Krise von Jahr zu Jahr weiter gestiegen.

Allerdings haben die Ölkonzerne die Erschließung neuer Lagerstätten massiv zurückgefahren, da sie sich auf Druck der Verbraucher, vor allem aber auch der Anleger in Richtung erneuerbarer Energien bewegen. Die Folge ist, dass die weltweiten Ölreserven seit zwei bis drei Jahren stagnieren. Einer nach Corona wahrscheinlich wieder steigenden Nachfrage steht somit ein konstantes, beziehungsweise mittelfristig sinkendes Angebot gegenüber. Was das für den Ölpreis bedeutet, liegt auf der Hand.

Ähnliches gilt für die Industrie-Unternehmen. Während des TMT-Booms vor gut 20 Jahren dachten die Anleger, dass man künftig Stahlwerke kaum mehr brauchen würde – es gäbe ja das Internet. Doch nach dem Platzen der TMT-Blase setzte die Stahlbranche zu einem Comeback an, das in einem regelrechten Hype endete. Ähnliches könnte sich wiederholen.

Natürlich hat sich die Welt in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten deutlich geändert. Dennoch können die Menschen auch heute nicht von Daten allein leben, sondern brauchen nach wie vor – vereinfacht ausgedrückt – Lebensmittel und ganz normale Produkte sowie Dienstleistungen für ihren Alltag. Und diese Basics liefern in der Regel nicht die Tech-Werte, sondern die Unternehmen der Old Economy.

Über den Autor:
Hans-Peter Schupp arbeitet seit 2008 bei dem von ihm mitgegründeten Finanzdienstleister Fidecum als Portfoliomanager. Zuvor leitete er das Asset Management bei der Mainfirst Bank.

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